Ich vergesse nie, was mein bei uns in den Ferien weilender Cousin zu meiner Mutter sagte, als diese uns einen Linseneintopf kredenzte. Er sah sich das braune Gericht an, probierte und meinte: «Gotti, warum sieht bei dir alles so hässlich aus, was du kochst, und dann schmeckt es doch?» Seine Aussage ist logisch, denn Kinder essen nun mal viel stärker mit den Augen als Erwachsene. Und wirklich appetit- lich sieht ein braunes Linsengericht wirklich nicht aus. Man muss es erst kennengelernt haben, um es schätzen zu können. Doch Linsen, Kichererbsen und Bohnen sind noch aus einem anderen Grund nicht jedermanns Sache: sie können Blähungen verursachen. Nicht umsonst gibt es im Volksmund den Ausspruch: «Jedes Böhnli ein Tönli.» Diese lassen sich zum Glück mit geeigneten Massnahmen wirksam reduzieren. Hülsenfrüchte sollten vor dem Verzehr gewaschen werden, da sie unbekömmliche Inhaltsstoffe enthalten. Sie müssen immer durchgegart werden. Püriert, etwa als Hummus, sind sie ebenfalls besser verdaulich. Manche Menschen vertragen selber gekochte Hülsenfrüchte besser als solche aus Konserven. Zudem lohnt es sich, ein Rezept mit verdauungsfördernden Gewürzen und Kräutern wie Anis, Fenchel, Kümmel, Ingwer, Kreuzkümmel, Bohnenkraut, Dill, Salbei, Thymian, Oregano oder Rosmarin auszuprobieren. Und sowieso passt sich die Darmflora der jeweiligen Ernährung an. Wer regelmässig Hülsenfrüchte isst, wird zunehmend weniger Blähungen haben. Deshalb mit kleinen Mengen beginnen und diese langsam steigern.
Heute sind die Hülsenfrüchte, nach Jahrzehnten im Schattendasein, wieder voll im Trend. Die einstige Arme- Leute-Nahrung ist, vor allem für Vegetarier und Veganer, eine der wichtigsten Proteinquellen. Neben Proteinen liefern Hülsenfrüchte viele Mineralstoffe und Nahrungsfasern. Werden sie mit Getreide-, Milchprodukten oder Eiern kombiniert, lässt sich damit der Proteinbedarf optimal decken.
Und dies billig und nachhaltig. Diese Erkenntnis wiederum ist nicht neu. So war eine aus Hülsenfrüchten hergestellte Suppe das erste industriell gefertigte Convenience-Produkt überhaupt. Ein Blick zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts: Die in den Fabriken arbeitenden Männer und Frauen schufteten sechs Tage pro Woche in dunklen Hallen, und es fehlte ihnen sowohl an Zeit als auch an Geld, um sich ausgewogen zu ernähren. Anstatt währschaft zu essen, versorgten sie sich in den kurzen Essenspausen mit kalten Mahlzeiten oder mit Schnaps. Gleichzeitig setzte sich bei Ärzten die Überzeugung durch, dass diese mangelhafte Ernährung die Arbeitenden anfällig für Krankheiten machte und zur überdurchschnittlich hohen Kindersterblichkeit beitrug. Als Antwort auf die Frage «Wie beschafft man das fehlende Eiweiss für die Masse des Volkes?» entwickelte der Glarner Arzt und Fabrikinspektor Fridolin Schuler zusammen mit dem jungen Unternehmer Julius Maggi aus billigen Hülsenfürchten ein industriell hergestelltes Suppenmehl, Erbswurst genannt, das erste Convenience-Gericht überhaupt. Kein kulinarisches Highlight, aber doch eine sättigende, proteinreiche Mahlzeit.
Heute würde ein Gericht aus Hülsenfrüchten bei meinem Cousin von Anfang an auf mehr Begeisterung stossen. Aus Kichererbsen hergestelltes Hummus mit frischem Fladenbrot oder ein feuchter Schokoladenkuchen auf der Basis von pürierten Kidneybohnen schmecken nicht nur, sondern sehen ganz schön appetitlich aus.