SOMMELIER
Ein Glas Wein mit Blick auf den See

In den Rebbergen über unseren Seen wächst Chasselas, der perfekte Begleiter zu allen Gerichten mit Süsswasserfischen.
Es ist März und mich ziehts da unwiderstehlich an das Ufer eines Sees. Und da brauche ich nichts als Aussicht, einen Teller mit knusprig gebratenem Fisch und ein Glas duftenden Weins, natürlich Chasselas vom Rebberg hinter mir. Nur eines ist wichtig: Alles kommt von hier und riecht, wie es nur hier riechen kann. Jeder unserer Seen hat seine eigene Atmosphäre und man schmeckt sie auch im Wein, der an seinen Ufern wächst. Chasselas vor allem. Denn er kann wie kein anderer den Boden und den Charakter eines Ortes aufnehmen und spiegeln. Zwei Beispiele für viele: Am Bielersee: Mitten im Bielersee liegt die St. Petersinsel. Hier wurde im Mittelalter ein Kloster gegründet und hier hat der Philosoph und Dichter Jean-Jacques Rousseau nach seinen eigenen Worten die glücklichste Zeit seines Lebens verbracht. Die Insel ist auch heute noch voller Poesie und Spiritualität. Ihr Zauber strahlt über den ganzen See bis nach Twann, Schafis und zu den einstmals so schmucken Winzerdörfern, die heute durch die Bahnlinie und die Autobahn ihren Charme doch etwas verloren haben. In den (Chasselas-) Weinen lebt er aber fort: Sie sind spritzig mit einem kleinen Rest Kohlensäure, angenehm duftig und doch feinsinnig, finessenreich und poetisch. Ausser als Begleiter zu Süsswasserfischen sind sie auch wunderbar als Aperitif.
An der Côte am Genfersee: La Côte erstreckt sich von Lausanne westwärts bis in die Nähe von Genf. Die letzte Eiszeit hat hier sanfte Moränenhügel zurückgelassen. Heute reiht sich an ihren Abhängen Schlösschen an Schlösschen und Schloss an Schloss, ein Überbleibsel der Berner Herren, die früher das Waadtland beherrschten. Die ganze Landschaft ist vornehm und heiter. Und überall wachsen Reben, auch hier natürlich vor allem Chasselas. Die daraus gekelterten Weine sind sanft wie die Landschaft, fein und vornehm, aber doch lebhaft und frisch. Man nennt sie auch lieblich und meint damit nicht eine Restsüsse, sondern ihren anmutigen, fast weiblichen Charakter.
Überall, wo Reben sich in einem See spiegeln, findet sich auch eine Kneipe mit Aussicht und ein Teller mit knusprig gebratenem Fisch neben einem Glas vom Winzer nebenan, Chasselas natürlich. E Guete und zum Wohl!